II. Kapitel

Das Überleben des Tüchtigsten

Im Jahre 1900 trat der Begründer der Rassenhygiene in Deutschland, Dr. Alfred Ploetz, bei einem Aufsatzwettbewerb in Erscheinung. Der Wettbewerb wurde von dem Industriellen Alfred Krupp gefördert und prämiierte den besten Aufsatz zu dem Thema: "Was lernen wir aus den Prinzipien der Deszendenztheorie   für die innerpolitische Entwicklung und Gesetzgebung der Staaten?

Viele nahmen teil und die meisten Aufsätze stimmten darin überein, dass zu den Hauptfaktoren ein biologisches "Reinwaschen" zähle sowie die Erhaltung einer Gruppe von biologisch Tauglichen, um die Existenz des Staates auch weiterhin zu sichern.

Den ersten Preis gewann Wilhelm Schallmeyer. Er interpretierte Kultur, Gesellschaft, Moral, Gesetze, ja sogar die Begriffe "richtig" und "falsch" nach den Regeln des Existenzkampfes. Da dies nun einmal so sei, müssten Leben und Sitten mit dieser Tatsache in Einklang gebracht werden, um die weiße Rasse davor zu bewahren, auf das Niveau der australischen Aborigines hinab zu sinken. Eine solche Degeneration sei unvermeidlich für den Fall, dass die Gesellschaft nicht aufhöre, die physisch und geistig Schwachen zu fördern.

Dr. Alfred Ploetz, Schallmeyers Kollege, hatte bei diesem Aufsatz Pate gestanden. Ploetz gab eindeutig der kaukasischen Rasse den Vorrang, aus der er die Juden natürlich ausklammerte, während er die Arier als den Gipfel rassischer Perfektion bezeichnete. Seine Einstellung zum Leben war von einem hohen Rassebewußtsein geprägt, dergestalt, dass er zum Extremisten wurde. Z.B. schlug er vor, dass in Kriegszeiten, um die Rasse zu schonen, nur solche Personen an die Front geschickt werden sollten, die vom rassischen Standpunkt aus gesehen, minderwertig seien.

Da die Soldaten der vordersten Frontreihe sowieso normalerweise fielen, würde man auf diese Weise den reineren Teil der Rasse davor bewahren, unnötig geschwächt zu werden.

Außerdem schlug er vor, dass ein Doktorgremium bei der Geburt eines jeden Kindes anwesend sein sollte, um zu beurteilen, ob das Neugeborene lebensfähig sei und falls nicht, es zu töten.

ORGANISATIONEN DER EUGENIK

Im Jahre 1901 hielt Galton eine Rede vor der englischen Royal Anthropological Society, mit dem Schwerpunkt auf die verschiedenen Möglichkeiten eine Verbesserung der menschlichen Züchtung unter den gegenwärtigen sozialen, legalen und moralischen Verhältnissen. 1904 wurde der erste Lehrstuhl für Eugenik sowie eine Arbeitsgemeinschaft für Eugenik im Londoner Universitäts - College eingerichtet, welche dann 1907 zur Gründung des Galton Laboratory of National Eugenies (Galton Forschungsinstitut für nationale Eugenik) führte. Bald darauf schossen in aller Welt Eugenikgruppen wie Pilze aus dem Boden.

1908 wurde die Eugenics Education Society (Eugenische Erziehungsgesellschaft), in den 20er Jahren in die Eugenics Society umbenannt, in England und 1910 das Eugenic Record Office (Archiv für Eugenik) in den Vereinigten Staaten gegründet. Beide Institutionen setzten die Forschungsergebnisse des Galton Laboratory of National Eugenics in die Praxis um und machten es sich zur Aufgabe, die eugenische Idee in der Öffentlichkeit in verstärktem Maße zu verbreiten.

Dr. Alfred Ploetz, derselbe Mann, der Schallmeyer bei seinem preisgekrönten Aufsatz assistierte, gründete in Deutschland die "Gesellschaft für Rassenhygiene" im Jahre 1905. Später änderte sie ihren Namen in Gesellschaft für Rassenhygiene (Eugenik)" um. Diese Namensänderung vollzog sich in Übereinstimmung mit Galton, der darauf hingewiesen hatte, dass Rassenhygiene und Eugenik eigentlich synonyme Begriffe seien. Im deutschen Sprachgebrauch waren die Begriffe nicht nur austauschbar, sondern Rassenhygiene wurde als die deutsche Übersetzung des Terminus Eugenik betrachtet. Da die Rassenhygiene eng mit der politischen Anthropologie - eine Pseudo-Wissenschaft, die Gobineau ausgeklügelt hatte - verbunden war, wurde die Eugenik durch die Gleichsetzung mit Rassenhygiene stark in politische Angelegenheiten verwickelt; sie wurde als die "wissenschaftliche" Grundlage benutzt, auf die sich rassistische und politische Ideen, insbesondere die der Nazis, stützten.

1904 begründete Dr. Alfred Ploetz die Zeitschrift "Archiv für Rassen - und Gesellschaftsbiologie", die nach einjährigem Bestehen zum offiziellen Organ der von Ploetz ins Leben gerufenen "Gesellschaft für Rassenhygiene" avancierte. Mitbegründer dieser Vereinigung war der später weltbekannte Psychiater und Rassenhygieniker Professor Dr. Ernst Rüdin.

EUGENIK WIRD ZUR GEISTIGEN THERAPIE

Zu jenem Zeitpunkt verfügte die Psychiatrie bereits über ein festes physisches, biologisches und organisches Fundament. Emil Kraeplin, ein Schüler Wundts, hatte schon früher, im vollen Einverständnis mit Gleichgesinnten, suggeriert, dass sich geistige bzw. psychische Erkrankungen in zwei verschiedene Kategorien einteilen ließen : in eine erblich belastete und in eine umgebungsbedingte.

Die Psychiater, Dr. Benedict Morel, Wilhelm Griesinger, Emil Kraeplin und Henry Maudsley, hatten bereits im 19. Jahrhundert die erblichen, biologischen und organischen Ursachen für Geisteskrankheiten stark betont. Ihre "wissenschaftlichen" Prinzipien übten beträchtlichen Einfluss auf die Psychiatrie aus und gingen wie ein Echo durch die psychiatrischen Schriften des 19. Jahrhunderts.

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die brutaleren Formen der psychiatrischen Behandlungsmethoden allmählich abgesetzt. Instrumente wie Schwing-Stühle, Klopfmaschinen für den Kopf, Peitschen, Knüppel und ähnliche Instrumente, hatten sich als nicht effektiv erwiesen, da sie bis jetzt noch niemanden geheilt hatten. Während immer mehr Behandlungsweisen verworfen wurden, wurde man sich in den betroffenen Kreisen plötzlich bewusst, dass sich keine adäquate Behandlungsweise finden ließ, die die Existenz der Psychiatrie als eigenen Beruf berechtigt hätte. Wer auch immer es gewesen sein mag, der als erster diese brillante Idee hatte - er ist untergegangen in den Annalen endloser psychiatrischer Publikationen, aber die ganze Disziplin wandte sich allmählich dem Gebiet der Vererbung sowie der Eugenik als potentieller Methode zu, geistige Krankheiten zu eliminieren, selbst für den Fall, dass Geisteskrankheiten nicht geheilt werden konnten.

Verschiedene Prinzipien entwickelten sich aus den ständigen Bemühungen, Geisteskrankheiten in Zukunft zu verhindern. Die unterschiedlichsten Gruppen verfochten jeweils ihre eigenen Systeme auf diesem Gebiet, jedoch verfolgten alle dasselbe Ziel: sie wollten das Problem der Geisteskrankheiten hinter der Fassade wissenschaftlicher Theorie lösen.

"Die Geisteskranken sollten nicht mit Geisteskranken zeugen". Diese Parole führte zur Einrichtung von Reservaten für die Irren und Schwachsinnigen, weit entfernt und abgetrennt von der übrigen Gesellschaft.

Außerdem nahmen die Vertreter der Genetik an, dass das Ergebnis der Zeugung eines Geisteskranken mit einem geistig Gesunden, ein schwachsinniger Sprössling sei. Falls der Sprössling nicht geisteskrank war, bestand jedoch immerhin noch die Gefahr eines rezessiven Gens, das in späteren Generationen den Schwachsinn reaktivieren könnte - eine viel zu erschreckende Gefahr, als dass sie in Betracht gezogen werden konnte.

"Das geisteskranke Element in der Bevölkerung nimmt zu". Diese Parole führte zu Maßnahmen, die direkt dazu ausersehen waren, die Geburt von geisteskranken Kindern zu verhindern. Dies wiederum führte zu einer Reihe von Prinzipien, die in der Stärke ihrer Anwendung gipfelten: Trennung von der Gesellschaft, Enthaltsamkeit, Trennung der Geschlechter in den Reservaten und Anstalten sowie Sterilisation.

PSYCHISCHE HYGIENE

Clifford Beers, ehemaliger Patient psychiatrischer Behandlung, rief in Amerika zu einer lautstarken Kampagne auf, um eine Verbesserung der Behandlungsweise der Geisteskrankheiten zu erzielen. Der in Amerika tätige Schweizer Adolf Meyer prägte den Begriff "Psychische Hygiene".

1908 gründete Beers die "Connecticut Society for Mental Hygiene" (Connecticut Gesellschaft für Psychische Hygiene), eine organisierte Körperschaft und Ausgangspunkt der Psychischen Hygiene als Bewegung.

Ihre Ziele waren die verbesserte Behandlung der Geisteskranken sowie die zukünftige Sicherstellung der geistigen Gesundheit der Bevölkerung.

In den 20er Jahren formierten sich Gruppen in anderen Ländern - in Kanada, Frankreich, Belgien, England, Bulgarien, Dänemark, Ungarn, Tschechoslowakei, Italien, Russland, Deutschland, Österreich, Australien sowie in der Schweiz. Um 1930 existierten bereits Verbände für Psychische Hygiene in vier Ländern.

Die medizinisch orientierten Spezialisten dieser Verbände waren gewöhnlich Psychiater, die auch für die eugenischen Theorien Partei ergriffen. Außerdem waren die Laien-mitglieder gleichzeitig noch in den eugenischen Gesellschaften aktiv, welche zu diesem Zeitpunkt schon recht zahlreich und vielfältig vertreten waren.

Einer der führenden Vertreter der psychischen Hygiene in Frankreich war Dr. Edouard Toulouse, in Großbritannien Miss Evelyn Fox, Sekretärin der Central Association for Mental Welfare (Zentrale Gesellschaft für geistige Fürsorge). Sie war bereits Mitglied der englischen Eugenics Society, ehe sie den "National Council for Mental Hygiene" (Nationalrat für Psychische Hygiene) ins Leben rief und schließlich zur anerkannten Führerin auf dem Gebiet der psychischen Hygiene wurde. Zu den Vorstandsmitgliedern des National Council for Mental Hygiene zählte neben Evelyn Fox auch Sir Cyril Burt, ein Professor, der bereits vor der Gründung des National Council elf Jahre lang Mitglied der Eugenics Society gewesen war. Später gründete er MENSA, eine Gruppe mit hohem Intelligenzquotienten, die sich für die eugenischen Prinzipien einsetzte.

Die Jahrbücher des National Council for Mental Hygiene enthalten viele Na men, die auch in der Eugenics Society schon recht geläufig waren, u.a.:

    Dr. E. Mapother - aktiver Rassenhygieniker

    Major Leonard Darwin - Vorstandsmitglied der Eugenics Society

    Dr. A.F. Tredgold - psychiatrisches Mitglied der Eugenics Society

    Dr. Adolf Meyer - Mitglied der Eugenics Society

Die Psychische Hygiene als Bewegung schöpfte ihr Gedankengut aus den vielfältigen Strömungen der Eugenik, woraus wiederum resultierte, dass die psychische Hygiene stark mit den Theorien und Praktiken der Eugenik durchsetzt war.

In Deutschland wurde 1931 das "Handwörterbuch der Psychischen Fürsorge" von dem Verlag Walter de Gruyter & Co. veröffentlicht, ein offizielles psychiatrisches Nachschlagewerk, an dessen Zusammenstellung zahlreiche, eugenisch orientierte Mitarbeiter beteiligt waren. Das Werk ist mit Worten wie Eugenik, Eheberatung, Vererbung, Entartung etc. gespickt, und unter der Rubrik "Psychische Hygiene" finden wir folgende Beschreibung:

    .. Man kann die Aufgabe der psychischen Hygiene allgemein darin erblicken, dass sie zu untersuchen und darzustellen habe, wie für die einzelne Persönlichkeit und die Gesellschaft das Höchstmaß des subjektiven Wohlbefindens und der objektiven Leistung durch die Entwicklung der bestmöglichen, d. h., der an die Umwelt am besten angepassten Persönlichkeitstypen zu erreichen ist.

Demnach eröffnet sich bei der erblichen Konstituierung der Persönlichkeit die erste und wirksamste Möglichkeit zum prophylaktischen Eingreifen : im Sinne der psychiatrischen Eugenik gilt es, ungünstige Erbkombinationen zu verhüten, günstige herbeizuführen und vor allem die Erbanlagen zu den psychischen Erkrankungen und den sozial minderwertigen Psychopathien von der Fortpflanzung auszuschalten.

Das Prinzip, dass eine Verhinderung von Geburten, Geisteskrankheiten auslöschen würde, wurde zur Operationsbasis einer jeden Gruppe, die die Psychische Hygiene vertrat.

In Deutschland, wie auch in anderen Ländern, rekrutierten sich die Theoretiker und Praktiker der Psychischen Hygiene hauptsächlich aus Mitgliedern der eugenisch orientierten Gruppen; unter ihnen befanden sich der Psychiater Emil Kraeplin, ein enger Freund von Dr. Alfred Ploetz, sowie Dr. Ernst Rüdin, Ordinarius für Psychiatrie an der Universität München, Mitherausgeber des "Archivs für Rassen - und Gesellschaftsbiologie" und Mitbegründer der "Gesellschaft für Rassenhygiene (Eugenik)". 1933 nominierte der Reichsminister des Innern, Wilhelm Frick, Rüdin zu seinem Repräsentanten im Vorstand zweier deutscher rassenhygienischer Verbände. Noch bezeichnender ist, dass Rüdin Fricks Wunsch nachkam, bei der Rekonstruktion der deutschen Rasse außerhalb der Reichsgrenzen, eng mit dem Ministerium zusammenzuarbeiten. Anlässlich seines 65. Geburtstages honorierte Ploetz Rüdins "Verdienste" (s. das folgende Zitat) im Archiv Für Rassen - und Gesellschaftsbiologie" -

    So erhielt er noch jüngst vom Führer die Goethe-Medaille für Kunst - und Wissenschaft. "In Anerkennung seiner Verdienste um die Entwicklung der deutschen Rassenhygiene". - Der Reichsminister des Innern, Dr. Frick, übersandte ihm das folgende Glückwunschtelegramm:"Dem unermüdlichen Vorkämpfer der Rassenhygiene und verdienstvollen Wegbereiter für die rassenhygienischen Maßnahmen des Dritten Reiches, sende ich zum 65. Geburtstage meine herzlichsten Glückwünsche. Möge es Ihnen noch recht lange vergönnt sein, Ihre Forschungen zum Wohl der Menschheit weiterzuführen."

- Die Wiesbadener Tagung der Deutschen Psychiater, Neurologen und Internisten verlieh ihm die Erb-Medaille. "

Zu den Theoretikern der Psychischen Hygiene mit rassenhygienischem Hintergrund zählen außerdem noch Dr. Luxenburger, ein bekannter Rassenhygieniker und Rüdins Mitarbeiter in der genealogischen Abteilung der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie (Kaiser-Wilhelm-Institut) in München und Dr. W. Wlassack, Rassenhygieniker und Exponent der schweizerischen Bewegung der Psychischen Hygiene.

Für den Fall, dass jemand den Eindruck gewinnen sollte, nur die deutschen Psychiater und Rassenhygieniker hätten extreme Ansichten vertreten, möchte ich an dieser Stelle einen Schweizer und einen Engländer zitieren. Die Zitate sprechen für sich selbst und repräsentieren die Denkweise der extremen Vertreter anderer Nationen.

Der englische Rassenhygieniker Karl Pearson, erster Ordinarius für Eugenik an der Londoner Universität, manifestierte um die Jahrhundertwende seine Gedanken folgendermaßen:

    "Diese Abhängigkeit des Fortschritts vom Überleben der tüchtigeren Rasse - so schrecklich düster wie Ihnen das auch erscheinen mag - gibt dem Existenzkampf einen versöhnlichen Anstrich; es ist der glühende Schmelztiegel, aus dem das edlere Metall kommt. (Wenn Kriege aufhören,) wird die Menschheit keine Fortschritte mehr erzielen, (weil) es dann nichts mehr geben wird, das die Vermehrung der minderwertigen Rassen kontrolliert; das unbarmherzige Gesetz der Vererbung kann nicht allein durch die natürliche Auslese kontrolliert und geführt werden:" (Übersetzung des Verfassers)

    und -

    "Die Geschichte zeigt mir nur einen einzigen Weg, auf dem ein hoher Zivilisationsstand bisher erzielt worden ist, nämlich der Kampf der Rasse mit der Rasse und das Überleben der physisch und psychisch tüchtigeren Rasse. Falls die Menschheit wissen möchte, ob die niedrigeren Rassen einen höheren Menschentyp entwickeln können, so ist die einzige Möglichkeit, fürchte ich, sie es selbst untereinander ausfechten zu lassen." (Übersetzung des Verfassers)

In seinem Buch "Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts" zitiert der Rassist Houston Stewart Chamberlain den schweizerischen Professor August Forel mit großer Bewunderung und Beipflichtung

    "ProfessorAugust Forel, der bekannte Psychiater, hat in den Vereinigten Staaten und auf den Westindischen Inseln interessante Studien über den Sieg gemacht, den geistig niedrige Rassen über höher stehende durch ihre größere Zeugungsfähigkeit davontragen. "Ist das Gehirn des Negers schwächer als das des Weißen, so sind seine Fortpflanzungskraft und das Überwiegen seiner Eigenschaften bei den Nachkommen um so mehr denjenigen der Weißen überlegen. Immer strenger sondert sich (darum) die weiße Rasse, nicht nur in sexueller, sondern in allen Beziehungen, von ihnen ab, weil sie endlich erkannt hat, dass die Mischung ihr Untergang ist." Forel zeigt an zahlreichen Beispielen, wie unmöglich es dem Neger ist, sich unsere Zivilisation mehr als hauttief anzueignen und wie er überall "der totalsten urafrikanischen Wildheit anheimfällt", sobald er sich selbst überlassen bleibt. (Zu näherer Belehrung hierüber ist namentlich das interessante Buch von Hesketh Prichard: "Where black rules white", Hayti, 1900, zu empfehlen; wer in den Phrasen von der Gleichheit aller Menschen usw. erzogen ist, wird schaudern, wenn er erfährt, wie es in Wirklichkeit zugeht, sobald in einem Staat die Neger das Heft in der Hand halten.) Und Forel, der als Naturforscher in dem Dogma der einen, überall gleichen "Menschheit " auferzogen ist, kommt zu dem Schluss: "Zu ihrem eigenen Wohl sogar müssen die Schwarzen als das, was sie sind, als eine durchaus untergeordnete, minderwertige, in sich selbst kulturunfähige Menschenunterart behandelt werden. Das muss einmal deutlich und ohne Scheu erklärt werden." (Man sehe den Reisebericht in Harden's Zukunft vom 17. Februar 1900.)

STERILISATION

Galton hatte 1883 - wie bereits beschrieben - ein neues Gebiet entwickelt, das er Eugenik nannte. Während der folgenden Jahre zog es weite Kreise, kurz nach der Jahrhundertwende entstanden überall in der Welt die ersten Gesellschaften für Eugenik. Die Anzahl ihrer Förderer und Anhänger wuchs kontinuierlich; in den Vereinigten Staaten und Deutschland stieß die neue Bewegung allerdings auf besonders fruchtbaren Boden. In dem Maße wie die Organisationen wuchsen, erweiterte sich auch ihre politische Einflusssphäre: die Legislative einzelner Länder orientierte sich allmählich an eugenischen Prinzipien, woraus resultierte, dass manche der neuen Gesetze rein eugenischer Natur waren. Obwohl variierend in Form und Ausführung, zielten alle auf dasselbe Objekt ab: die Schwachsinnigen und die Geisteskranken.

Einige Gesetze waren allgemeiner Art und sahen lediglich die Einrichtung von Anstalten und Reservaten zur Absonderung des geistesschwachen bzw. geisteskranken Elementes von der übrigen Bevölkerung vor, wo man die Vermehrung der Schwachsinnigen leichter überwachen oder verhindern konnte. Ein Beispiel für Gesetze dieser Art, ist Großbritanniens Mental Deficiency Act (Gesetz für Schwachsinnige), 1916 erlassen.

Die übrigen Gesetze waren wesentlich definitiver und zielten direkt auf die Sterilisierung der Geisteskranken hin.

Bemerkenswert ist, dass der Begriff "Sterilisation" in der Gesetzgebung vieler amerikanischer Staaten auch Kastration beinhaltete und hunderte solcher Entmannungen bereits durchgeführt worden waren.

In den Vereinigten Staaten verlief die Sterilisations-Gesetzgebung in zwei Phasen. Die erste begann mit dem Erlassen eines Sterilisationsgesetzes in Pennsylvania im Jahre 1905, gegen das der Gouverneur jedoch sein Veto einlegte.

Andere Staaten folgten diesem Beispiel, allerdings erzielten sie wesentlich erfolgreichere Resultate. 1913 erreichte diese erste Woge den Sterilisationsgesetzgebungen ihren Höhepunkt, klang aber kurz darauf wieder ab (vermutlich verminderte der I. Weltkrieg das Interesse an innenpolitischen Angelegenheiten) und bis 1920 lassen sich nur relativ unbedeutende Aktivitäten nachweisen. Es sah beinahe so aus, als habe sich die eugenische Inspiration und deren "Energie" erschöpft.

Die Etablierung der Psychischen Hygiene als Bewegung (welche 1908 in Connecticut ihren Ausgangspunkt genommen hatte und sich in den 20er Jahren in der ganzen Welt verbreitete), leitete die zweite wesentlich stärkere Phase ein.

Die Bewegung der Psychischen Hygiene fungierte in jenem Land als erste Lobby der Eugenik und leistete unter Anwendung autoritativer und unterdrückerischer Mittel eindrucksvolle Vorarbeit für die beständig zunehmende Verbreitung und Popularisierung der Eugenik.

Der ständige Druck der ineinandergreifenden Bewegung der Eugenik und der Psychischen Hygiene fundierte die zweite Woge der Sterilisationsgesetze und Abänderungsanträge. Ein erster Höhepunkt wurde 1929 in Amerika erreicht und auf Grund des wachsenden Einflusses der Psychischen Hygiene erließen - oder trugen sich zumindest mit dem Gedanken - viele Länder in der übrigen Welt zahlreiche Gesetze dieser Art, welche eine zwangsweise Sterilisation (nur selten freiwillige) oder Kastration der Geisteskranken, Schwachsinnigen, Alkoholiker oder der sozial Unerwünschten vorsah; u. a. Deutschland, Australien (verschiedene Staaten), Finnland und Schweden. Dänemark, Norwegen und die Schweiz sahen als weitere gesetzliche Maßnahme auch noch die Kastration vor.

In England beauftragte der Gesundheitsminister 1932 ein Komitee damit, sich Einblick in die fragliche Angelegenheit zu verschaffen. Vier Jahre später lagen die Ergebnisse vor. Es kam jedoch nie zum Erlass eines solchen Gesetzes, vermutlich, weil die Öffentlichkeit sich angesichts der dreijährigen Erfahrung aus erster Hand mit den rassenhygienischen Praktiken der Nazis empört hätte.

Nach 1935 erwies es sich generell als äußerst schwierig, ohne Unterstützung des Volkes und entgegen einer beträchtlichen Opposition, selbst in günstigsten Zeiten, Gesetze dieser Art durchzubringen.

Wenn wir uns diese ersten Gesetze auf internationaler Ebene, die auf Betreiben der Befürworter der Psychischen Hygiene erlassen wurden, noch einmal vor Augen führen, sehen wir uns mit einer phänomenalen Entwicklung innerhalb der Bewegung der Psychischen Hygiene konfrontiert denn der ursprüngliche Zweck der Psychischen Hygiene war, die Behandlung der Geisteskranken zu verbessern - ein edles Unterfangen, dessen erstes Zwischenergebnis Sterilisation hieß.

EUTHANASIE

Während die Welt systematisch mit Propaganda für die Sterilisation der Geisteskranken eingelullt wurde, bereiteten die Anhänger der Psychischen Hygiene und der Eugenik ihren nächsten Schritt vor.

Euthanasie bedeutet laut Definition "ein leichter Tod". Gewöhnlich versteht man darunter, dass er für den unheilbar Kranken oder den Sterbenden in einer friedvollen und schmerzlosen Weise anwendbar sei; Er ist aber auch als "Gnadentod" bekannt.

1895 hatte Dr. Alfred Ploetz in Deutschland den Sozialen Darwinismus eingeführt und die Rassenhygiene (Eugenik) begründet. In seinem Buch Grundlinien einer Rassenhygiene" forderte er die Eliminierung der Gegen-Auslese-(Kontraselektions)-Prozesse bzw. jener Prozesse, die die Starken liquidieren und die Schwachen begünstigen. Zu diesen Prozessen zählt er Kriege sowie die Fürsorge für die Schwachen und Kranken. Er illustrierte dies am Beispiel einer frisch verheirateten Frau, die ein schwaches oder missgestaltetes Kind geboren hat. Ein Doktorgremium könne seiner Meinung nach dem Kind mit einer Dosis Morphium einen leichten Tod geben, statt ihm zu erlauben, Pflegepersonal für sich in Anspruch zu nehmen.

1922 verfassten der Jurist Karl Binding und der Psychiater Alfred Hoche die Schrift "Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens", in der sie zu Gunsten der Euthanasie zahlreiche Argumente ins Feld führen, wie z.B.: Diese Unglücklichen seien sich selbst und der Gesellschaft eine Last, deshalb sei ihr Ableben auch kein großer Verlust; und - die Fürsorge für diese Unnützen sei mit horrenden Ausgaben von Seiten des Staates verbunden, die, an anderer Stelle eingesetzt, wesentlich effektvollere Produkte erzielen könnten. Sie vertraten die Ansicht, dass die physisch und psychisch Kranken schmerzlos getötet werden sollten und forderten die Aufhebung der hier im Wege stehenden religiösen und gesetzlichen Schranken. Hoche, eine einflussreiche Autorität auf dem Gebiet der Psychiatrie, argumentierte, dass jede moralische Gesinnung gegenüber der Erhaltung lebensunwerten Lebens bald überholt und die Zerstörung lebensunwerten Lebens bald eine Notwendigkeit für das Überleben der Gesellschaft darstellen würde. Eine so einflussreiche Persönlichkeit konnte natürlich nicht überhört werden, im Gegenteil, seine Forderungen fielen auf fruchtbaren Boden.

Auf dem Deutschen Ärztetag 1921 in Karlsruhe, wurde der Antrag auf Legalisierung der Euthanasie vorgebracht, diskutiert und abgelehnt. Ein ähnlicher Antrag, gestützt auf den selben Motivationen, wurde 1922 auf dem Kongress der Forensisch - Psychiatrischen Vereinigung in Dresden noch einmal gestellt, erlitt jedoch dasselbe Schicksal. Etwa zu der selben Zeit unterbreitete der Monistenbund - einer seiner Gründer war Ernst Haeckel, überzeugter Vertreter des Sozialen Darwinismus - dem Reichstag einen ähnlichen Vorschlag, ebenfalls ohne Erfolg.

1935 veröffentlichte Dr. Alexis Carrel, französisch-amerikanischer Nobel-preisträger und Mitarbeiter im Rockefeller - Institut seit dessen Eröffnung, sein Buch "Man, the Unknown". Man kann nicht gerade behaupten, dass seine Botschaft nur für den Hausgebrauch bestimmt gewesen ist, denn innerhalb von drei Jahren wurde sein Buch in neun Sprachen übersetzt.

In seinem Schlusskapitel "Einen neuen Menschen schaffen", fasst wiederholt Carrel die eugenische Lösung der Krankheiten der Gesellschaft ins Auge, indem er die Beseitigung der Geisteskranken und Kriminellen in kleinen Euthanasie-Instituten anregt, welche die geeigneten Gase bereit hätten.

Es bleibt noch das ungelöste Problem der zahllosen Minderwertigen und verbrecherisch Veranlagten. Sie bedeuten eine unerhörte Belastung für den normal gebliebenen Teil der Bevölkerung. Wir haben schon einmal davon gesprochen, dass gegenwärtig ungeheure Summen dafür verwendet werden, Gefängnisse und Irrenanstalten zu unterhalten und die Öffentlichkeit vor unsozialen Elementen und Geisteskranken zu schützen. Wozu erhalten wir alle diese unnützen und schädlichen Geschöpfe am Leben? Die Unnormalen hindern die Normalen an ihrer vollen Entwicklung - diese Tatsache müssen wir uns klar vor Augen halten. Weshalb verfährt die Gesellschaft mit den Verbrechern und Geisteskranken nicht auf sparsamere Weise? Es kann nicht so weitergehen, daß wir versuchen, zwischen "verantwortlich" und "nichtverantwortlich" einen genauen Unterschied zu machen und die Schuldigen zu bestrafen, während die Täter eines Verbrechens, die wir für moralisch "nicht verantwortlich" halten, geschont werden. Natürlich sind wir nicht fähig, über Menschen zu Gericht zu sitzen; die Gemeinschaft muss indessen vor störenden und gefahrbringenden Elementen geschützt werden. Wie kann das geschehen? Bestimmt nicht dadurch, dass man immer größere und komfortablere Gefängnisse baut, ebenso, wie echte Gesundheit nicht durch größere und noch fachmännischer geleitete Krankenhäuser gefördert wird. In Deutschland hat die Regierung energische Maßnahmen gegen die Vermehrung der Minderwertigen, Geisteskranken und Verbrecherischen ergriffen. Die ideale Lösung wäre es, wenn jedes derartige Individuum ausgemerzt würde sowie es sich als gefährlich erwiesen hat. Verbrechertum und Geisteskrankheit lassen sich nur verhüten durch ein fundiertes Wissen vom Menschen, durch Eugenik, durch Verbesserung der sozialen und der Erziehungsverhältnisse und schließlich dadurch, dass man keinerlei sentimentale Rücksichten mitsprechen lässt. Bis wir so weit sind, muss wenigstens das Verbrechertum wirkungsvoll bekämpft werden. Es wäre vielleicht angebracht, unsere luftigen Gefängnisse aufzulösen und an ihre Stelle kleinere, billigere Anstalten zu errichten. Bei kleineren Verbrechern könnte man den Übeltätern eine heilsame Lektion mit der Peitsche oder einem etwas wissenschaftlicher arbeitenden Züchtigungsmittel angedeihen lassen, was, wenn etwa noch ein kurzer Aufenthalt im Krankenhaus angeschlossen würde, die Dinge vermutlich in beste Ordnung brächte. Wer aber gemordet, mit Selbstladepistolen und Maschinengewehren bewaffnet einen Raubüberfall begangen, wer Kinder entführt, den Armen ihre Ersparnisse abknöpft, die Menschen in wichtigen Dingen bewusst missleitet, mit dem sollte in humaner und wirtschaftlicher Weise Schluss gemacht werden: in kleinen Anstalten für schmerzlose Tötung, wo es die dazu geeigneten Gase gibt. Ebenso müsste man zweckmäßigerweise mit jenen Geisteskranken verfahren, die sich ein Verbrechen haben zuschulden kommen lassen. Die moderne Gesellschaft muss endlich entschlossene grundsätzliche Maßnahmen treffen und zwar mit dem Endziel, dem normalen Individuum zu seinem Recht zu verhelfen. Vor einer solchen Notwendigkeit haben philosophische Dogmen und sentimentale Vorurteile zu verstummen. Die menschliche Persönlichkeit zu ihrer höchsten Ausbildung zu Führen, das ist das letzte Ziel der Zivilisation.

 

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